Ein Theaterstück von Klaus Fehling
Personal:
RUPRECHT KNECHT
NICOLE LAUS
DER SCHRECKLICHE KRAMPUS
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Im Büro der Lametta GmbH und Co. KG. Hinter einem großen Schreibtisch sitzt Frau NICOLE LAUS und telefoniert.
NICOLE LAUS
(am Telefon)
Nein.
Wirklich nicht.
Auf gar keinen Fall.
Das geht gar nicht.
(…)
Bisher haben Sie mir
ausschließlich Versager geschickt.
Einer hatte Angst vor Kindern,
ein anderer hatte Angst vor Rentieren,
und dann dieser arbeitslose Schauspieler,
den Sie mir am Montag geschickt haben,
der hat ernsthaft verlangt,
dass wir ihm Autogrammkarten drucken.
Der war nicht mal in der Lage
die paar Sätze Text auswendig zu lernen,
die wir von ihm erwartet haben.
So schwer kann das doch nicht sein.
Statt „Von drauß‘ vom Walde komm ich her“
hat der immer gesagt
„Ich bin der Hustinettenbär“
Absolut ungeeignet.
(…)
Es ist mir egal, ob der bekannt aus der Fernsehwerbung ist,
für den Job, um den es hier geht, ist der ungeeignet.
Wie viele Bewerber haben Sie noch für uns?
(…)
Keinen mehr?
Ich dachte,
es gäbe so viele Arbeitslose?
Wenn wir nicht bald einen geeigneten Kandidaten finden,
fällt das Weihnachtsfest in diesem Teil der Welt aus.
Das wäre eine Katastrophe.
(Es klopft)
Ich muss auflegen,
es hat gerade geklopft.
Also, wenn Sie in Ihrer Kartei noch jemanden finden sollten
schicken Sie ihn so schnell wie möglich zu uns.
Viel Zeit haben wir nicht mehr.
Die Geschenke müssen noch heute verteilt werden.
(legt auf)
Herein!
HERR KNECHT
(betritt das Büro)
Guten Tag.
Bin ich hier richtig
bei der Lametta GmbH und Co. KG?
NICOLE LAUS
Ja.
Mein Name ist Laus.
Nicole Laus.
Ich bin hier die Chefin.
Und wer sind Sie?
HERR KNECHT
Knecht.
Ruprecht Knecht.
Ich komme wegen der Geschenke,
ich meine,
wegen der Stellenanzeige.
„Zuverlässiger Mitarbeiter für anspruchsvolle Tätigkeit im Weihnachstgeschäft gesucht“
Ich möchte mich gerne für diese Stelle bewerben.
Ich habe bis vor kurzem
als Pizzabote gearbeitet
und bin jetzt auf der Suche nach einer…
…neuen Herausforderung.
Ich hätte gerne eine verantwortungsvolle Tätigkeit.
NICOLE LAUS
So?
Nun, wo sie schon mal hier sind,
setzen Sie sich.
Sie waren Pizzabote, sagen Sie?
Warum haben Sie damit aufgehört?
HERR KNECHT
Na ja,
ich,
äh,
mir wurde gekündigt.
NICOLE LAUS
Warum?
HERR KNECHT
Völlig ungerechtfertigt.
Die haben mich gefeuert,
nur weil ich ab und zu etwas verwechselt habe.
Statt „Pizza Calzone“ habe ich „Pizza mit Salz und Bohnen“ geliefert.
Und einmal statt einer „Pizza vier Käse“ eine „Pizza Majonäse“.
Ist aber nicht oft vorgekommen.
Wirklich. Meistens hat es gestimmt.
Trotzdem haben sie mir gekündigt.
Deshalb suche ich jetzt Arbeit.
Und ich suche eine verantwortungsvolle Tätigkeit.
NICOLE LAUS
Ich glaube ja nicht, dass Sie der richtige für uns sind.
Wenn Sie bei uns etwas verwechseln würden…
Hier in dieser Kartei ist genau vermerkt,
wer welches Geschenk bekommen soll.
Es gibt jeweils eine Karte mit den Informationen
über den Geschenkeempfänger.
Dieser Empfängerkarte
ist immer eine Geschenkekarte mit der genauen Bezeichnung des passenden Geschenkes zugeordnet.
Da muss alles stimmen.
Gar nicht auszudenken,
was das sonst für ein Durcheinander gäbe.
HERR KNECHT
Das kann ich.
Geben Sie mir eine Chance.
NICOLE LAUS
Ich weiß nicht.
Nachher verwechseln Sie wieder etwas
und wir wissen ja, was dann passieren kann.
HERR KNECHT
Was kann passieren?
NICOLE LAUS
Sagen Sie bloß,
Sie haben noch nie vom schrecklichen Krampus gehört?
HERR KNECHT
Nein.
Wer ist das?
NICOLE LAUS
Das ist ein Superschurke,
der sich zum Ziel gesetzt hat,
das Weihnachtsfest
und alles, was dazu gehört,
ein für alle mal zu zerstören.
HERR KNECHT
Kein Weihnachtsfest mehr?
Keine Plätzchen?
Kein Tannenbaum?
Keine Geschenke mehr?
Warum sollte jemand so etwas tun wollen?
NICOLE LAUS
Vor vielen Jahren,
als der schreckliche Krampus noch ein Junge namens Christoph war,
hat jemand aus Versehen zwei Geschenkekarten
in unserer Kartei verwechselt.
Christoph, der sich einen Motorroller hatte,
das er laut unserer Kartei auch hätte bekommen sollen,
bekam von unserer Auslieferung irrtümlich einen Deoroller
unter den Weihnachtsbaum gelegt.
HERR KNECHT
Oh!
Und dann?
NICOLE LAUS
Er wurde wütend.
Er beneidete jeden, der ein passendes Geschenk bekommen hatte.
Er wurde diese Wut nie wieder los.
Und jetzt ist er besessen von dem Plan,
uns allen das Weihnachtsfest zu vermiesen.
HERR KNECHT
Wie gemein.
NICOLE LAUS
Sehr gemein.
Und deshalb dürfen wir kein Risiko eingehen.
Sie werden sicher verstehen, dass wir…
(Das Telefon klingelt)
Einen Moment bitte.
(NICOLE LAUS nimmt den Hörer ab)
Lametta GmbH und Co. KG
mein Name ist Laus,
NICOLE Laus.
Was kann ich für Sie tun?
(…)
Schon wieder Rudolf?
Was ist mit seiner Nase?
(…)
Warum glauben Sie, dass sie entzündet ist?
Sie ist ganz rot?
(…)
Ich sehe mir das einmal an.
Ich komme kurz rüber.
(legt auf)
(zu HERRN KNECHT)
Entschuldigen Sie bitte.
Es gibt Probleme bei den Rentieren.
Ich bin in wenigen Minuten wieder bei Ihnen.
Fassen Sie nichts an
und lassen Sie unter keinen Umständen jemanden herein,
ganz egal, wer es ist, und wie laut er auch klopft.
(NICOLE LAUS ab)
HERR KNECHT
Das kann ich.
Diese Arbeit ist was für mich.
Eine verantwortungsvolle Tätigkeit.
Ich muss nur noch diese Frau Laus überzeugen.
(es klopft)
(ruft)
Tut mir Leid.
Ich darf niemanden herein lassen.
DER SCHRECKLICHE KRAMPUS
(durch die Tür)
Es ist wichtig.
Frau Laus hat etwas vergessen.
Sie hat mich geschickt es zu holen.
Ich soll mich beeilen.
HERR KNECHT
Was hat sie vergessen?
DER SCHRECKLICHE KRAMPUS
Was sie vergessen hat,
die Frau Laus?
Nun,
also,
ja
HERR KNECHT
Ja, was?
Ihren Schlüssel?
DER SCHRECKLICHE KRAMPUS
Ja!
Genau!
Ihren Schlüssel.
Ich soll ihn holen.
Es ist ein Notfall.
HERR KNECHT
Ein Notfall.
Ach so.
Das ist natürlich etwas anderes.
(öffnet die Tür)
DER SCHRECKLICHE KRAMPUS
(schubst HERRN KNECHT zur Seite, geht zielstrebig zu den Karteikästen und schüttet die Geschenkeempfängerkartei auf dem Boden aus)
Hahahahaha!
Wer bekommt jetzt was?
Eure Wünsche bleiben unerfüllt!
Weihnachten, Deine Tage sind gezählt!
(er stürmt wieder hinaus. HERR KNECHT bleibt verzweifelt zurück)
HERR KNECHT
Oh Schreck!
Hätte ich mal bloß die Tür nicht auf gemacht.
(KNECHT betrachtet die auf dem Boden verstreut liegenden Karteikarten)
Das Weihnachtsfest wird wohl in diesem Jahr ausfallen.
Und ich werde diese Stelle nicht bekommen.
Es sei denn…
(KNECHT beginnt, die Karten zu ordnen)
Mal sehen.
Jan, 9 Jahre alt,
bekommt…
…ah hier, ein
Und was bekommt Johanna, 11 Jahre?
Mal sehen,
Mmmmh…
Ein
Der nächste ist
Luc, 9 Jahre.
Für den ist…
sicher ist das hier für ihn…
ein
(Er sortiert eine Weile wortlos weiter, bis er nur noch eine Karte übrig hat.)
Mist.
Es ist eine zu viel.
Oder zu wenig.
Je nach dem.
(schaut auf die Karte)
Die ist ja leer.
(NICOLE LAUS kommt zur Tür herein. HERR KNECHT schafft es gerade noch, rechtzeitig die übrig gebliebene Karteikarte in seiner Tasche verschwinden zu lassen.)
NICOLE LAUS
Sie sind ja immer noch da, Herr…
HERR KNECHT
Knecht.
Ruprecht Knecht.
NICOLE LAUS
Herr Knecht.
Sie haben hoffentlich niemanden herein gelassen?
HERR KNECHT
Natürlich nicht.
NICOLE LAUS
Also,
wie ich Ihnen vorhin schon sagte,
können wir uns keine Fehler bei der Geschenkeverteilung erlauben.
In dieser Kartei hier…
(sie zieht zwei Karten heraus)
Was ist denn das?
Um Himmels Willen!
Wieso bekommt Frau Marzipan einen
Teilchenbeschleuniger
geschenkt?
HERR KNECHT
Warum nicht?
Schließlich ist sie Konditormeisterin.
NICOLE LAUS
Woher wissen Sie das?
Haben Sie etwa….?
Sie sollten doch nichts anfassen!
HERR KNECHT
Ich wollte doch nur
alles wieder in Ordnung bringen.
Da war dieser Krampus
und…
NICOLE LAUS
Sie haben nicht etwa
jemanden herein gelassen?
Ich habe Ihnen doch gesagt…
HERR KNECHT
Er hat gesagt,
es sei ein Notfall.
NICOLE LAUS
Ein Notfall?
Was wir jetzt haben,
durch Ihre Schuld,
ist ein echter Notfall.
(Die Tür fliegt auf und DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN tritt auf)
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Ein Notfall?
Das ist ein Fall für
LAUS/KNECHT/WEIHNACHTSMÄN
(gemeinsam)
..den unglaublichen Weihnachtsmän!
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Was geht, Leute?
NICOLE LAUS
Das Fest ist in Gefahr.
Dieser Trottel, der Herr…
HERR KNECHT
Knecht.
Ruprecht Knecht.
NICOLE LAUS
…hat alles durcheinander gebracht.
HERR KNECHT
Das ist nicht wahr.
Ich habe versucht,
alles wieder in Ordnung zu bringen.
NICOLE LAUS
Sie hätten nichts anfassen dürfen.
Den Job können Sie vergessen.
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Wo ist das Problem?
NICOLE LAUS
Die Ordnung ist durcheinander geraten.
Die Kartei…
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
(blättert in der Kartei)
Ich sehe hier keine Unordnung.
Hier hat sich jemand intensiv Gedanken gemacht.
Das sieht man deutlich.
Und darum geht es doch beim Schenken,
oder etwa nicht.
Ich schlage vor, dass die Geschenke heute
genau so ausgeliefert werden,
wie es in der Kartei vermerkt ist.
Dann gibt es kein Problem.
NICOLE LAUS
Ein Teilchenbeschleuniger für Frau Marzipan?
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Frau Laus,
Sie hatten nicht ernsthaft vor,
einen Teilchenbeschleuniger zu verschenken, oder?
NICOLE LAUS
Der wäre für Herrn Professor Blatter gewesen.
Der bekommt laut Kartei jetzt
ein paar warme Socken.
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Über die er sich genau so freuen wird.
Schließlich hat er oft kalte Füße.
Das steht auf seiner Karte.
HERR KNECHT
Das stimmt.
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Also schenken wir Frau Marzipan lieber etwas anderes und
vergessen das mit dem Teilchenbeschleuniger.
Aber das sind doch alles keine unlösbaren Probleme.
Oder gibt es sonst noch irgendwelche Schwierigkeiten?
NICOLE LAUS
(eingeschnappt)
Nein.
Keine weiteren Probleme,
Weihnachtsmän.
HERR KNECHT
Na ja,
ich fürchte, ich muss noch etwas gestehen.
Es ist eine einzelne Karte übrig geblieben.
Die konnte ich nirgendwo zuordnen.
NICOLE LAUS
Herr Knecht,
so werden Sie nie eine Arbeit finden.
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Es ist Deine Karte,
Ruprecht Knecht,
Deine eigene.
HERR KNECHT
(enttäuscht)
Meine?
Aber sie ist leer!
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Ist sie nicht.
Ich glaube, sie enthält das Geschenk,
das du dir gewünscht hast.
HERR KNECHT
(zieht die Karte aus der Tasche und liest)
Ich bekomme einen Job als
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN/HERR KNECHT
(gemeinsam)
Der nahezu unglaubliche Weihnachtsboy
DER UNGLAUBLICHE WEIHNACHTSMÄN
Ja.
Den hast du dir verdient.
Du musst aber sofort anfangen.
Wir haben noch viel zu tun.
Als erstes bekommt mal dieser seltsame Krampus
seinen Motorroller.