Kalte Ente (Auszug)

Ich bin so aufgeregt.
Was jetzt kommt,
ist ganz neu.
Das hat es noch nie vorher gegeben.
Neues Land bei jedem Schritt.
Da sind keine Fußstapfen,
in die ich treten könnte.

Rezepte
gibt es keine.
Allerhöchstens eine vage Liste
möglicher Zutaten.

Wenn ich bloß diese blöden Autogrammkarten finden könnte.

Ich erinnere mich noch gut.
Als ich das erste Mal Madonna war,
da war selbst Madonna noch Madonna
und auf MTV gab es noch Musikvideos
den ganzen Tag.
Und da habe ich sie gesehen.

Like a virgin

Sie hat geleuchtet wie ein weißer Engel

Like a virgin

In einem Brautkleid.
In einem durchsichtig Brautkleid.
Like a virgin

Hat sie nicht getanzt.
Obwohl sie auch Tänzerin ist.
Sie hat sich einfach nur auf die Bühne gelegt,
oder auf eine riesige Hochzeitstorte.
Hat ihren Schleier zwischen die Beine gestopft
und den Brautstrauß ins Publikum geworfen.

Das war es.
Mehr musste Madonna nicht tun.
Da war schon alles drin.
Alle Zutaten zusammen gerührt
und fertig war Madonna.

Und ich war sie.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen.
Ich wollte nicht so sein wie.
Ich war.
Ich habe sie nicht imitiert
oder verkörpert.
Ich hab sie gesehen und wusste.
Das bin ich.
Ich bin Madonna.

An diesem Abend bin ich
mir selbst vor die Füße gefallen.
Ich musste nur das Rezept genau befolgen
und rauf auf die Bühne
Und alle haben mich geliebt
genau so wie ich war.
Denn genau so war
Madonna.

So einfach ist es gewesen.

Auf einmal hatte ich selber etwas,
das aus mir raus wollte.

Zu einem meiner ersten Auftritte
auf einem Schulfest
habe ich meine Eltern eingeladen.
Ich wollte, dass sie ihn sehen,
den weißen Engel
in seinem Element.
In meinem Element.

Meine Mutter ist nicht gekommen.
Mein Vater kam zu spät,
hat eine Bratwurst gegessen
und ist vor der ersten Zugabe wieder gegangen.
Wollen Sie wissen, was er hinterher gesagt hat?

Zu fett.
Ich sei zu fett für Madonna.

(Klaus Fehling 2013)

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